Über die Arbeit an den Preisbüchern 2025
Bunte Vielfalt, wohlwollendes Miteinander, Offenheit und Begegnung
Michael Roher über seine Arbeit an „Ida, Chris und Emil im Zug“
Mit etwa drei Jahren hat mein Sohn seine Leidenschaft für Züge entdeckt. Seitdem sind Railjet, ICE und Regionalexpress für mich nicht mehr einfach nur Fortbewegungsmittel auf Schienen. Mein Blick auf Züge hat eine gewisse Zärtlichkeit und emotionale Verbundenheit gewonnen, die sich in der Liebe zu meinem Sohn und dessen Liebe zur Eisenbahn begründet.
Das nur, um zu erklären, warum ich nicht groß überlegen musste, ob ich dieses Buch mit Sarah zusammen machen will oder nicht. In dem Moment nämlich, als ich Sarahs Text zum ersten Mal gelesen habe, haben die Ideen in meinem Kopf bereits zu sprudeln begonnen. Die Struktur der Geschichte war wunderbar simpel und genial zugleich. Sie ließ allen Freiraum für eigene Ideen und gab mir die Möglichkeit, mich nach Lust und Laune auszutoben. Das war eindeutig der Spaßfaktor an dem Projekt: mir zu überlegen, welche Figuren ich in den einzelnen Wagons mitreisen lassen möchte, welche Geschichten ihnen zugrunde liegen, inwiefern sie miteinander interagieren.
Bunte Vielfalt, wohlwollendes Miteinander, Offenheit und Begegnung sind etwas, das ich in unserer Zeit oft gern stärker vertreten sehen würde, und der ICE von Hühnergeschrei nach Großklein wurde so schnell zur Bühne, auf der ich meinem Wunsch nach diesen Qualitäten mit Humor und Augenzwinkern Ausdruck verleihen konnte. Bunt sollte es sein. Lebendig. Und auf die Menschen (Figuren) fokussiert. Daher war es naheliegend, den Hintergrund weiß zu halten – mit vage angedeuteten Fenstern und Sesseln –, um darauf die Figuren groß und in satten Farben in Szene zu setzen. Durch eine kräftige, aber eingeschränkte Farbpalette (Primärfarben plus Rosa, Magenta und Schwarz) wollte ich den einzelnen Seiten einen gewissen Zusammenhalt geben. Gearbeitet habe ich mit Buntstiften, wobei ich die einzelnen Figuren zuerst separat auf Papier gemalt, dann eingescannt und anschließend am Computer freigestellt und zu Wimmelbildern arrangiert habe. Letzteres war zugegebenermaßen jener Teil meiner Arbeit, der weniger Spaßfaktor zu bieten hatte.
Ein interessantes Detail, das ich hier abschließend aber erwähnen möchte, ist, dass ich diese digitale Arbeit zu einem sehr großen Teil während diverser Zugfahrten (unter anderem mit meinem Sohn) gemacht habe, wodurch sich, wie ich finde, der Kreis auf wunderbare Weise schließt.
Was für ein Fest!
Sarah Michaela Orlovský über ihre Arbeit an „Ida, Chris und Emil im Zug“
Es war im Zug von Frankfurt Richtung Wien, am Tag nach der Verleihung des Deutschen Kinder- und Jugendbuchpreises. Plötzlich erkannte ich in der jungen Dame auf der anderen Seite des Ganges Eleni Steinborn, die ich das letzte Mal gesehen hatte, als ich ziemlich neu an der Uni Wien und sie relativ neu in einem Wiener Kindergarten war. Es war an einem meiner ersten STUBE-Freitage am Stephansplatz. Wenn wir uns schon zufällig im Zug treffen, meinte Eleni, könnten wir uns doch auch gleich mit Heidi Lexe im Bordrestaurant treffen, die sei auch irgendwo hier im Zug.
Schon war die Idee zu „Ida, Chris und Emil im Zug“ geboren, denn hätte Eleni nicht Heidis Nummer gehabt, hätten wir wohl oder übel die Sprechanlage kidnappen müssen – und dadurch bestimmt noch viel mehr kinder- und jugendliteraturbegeisterte Reisende mit der grausigsten Plörre – Verzeihung – dem außergewöhnlichsten Kaffee meiner gesamten und durchaus umfangreichen persönlichen Brewing-Beverages-Geschichte überraschen können.
Wenn ich eine Idee habe, dann setzt sie sich als Dialogteilchen oder als Video-Clip in meinem Kopf fest, manchmal als fertiger Film, in Farbe und Dolby Surround. Aus den bewegten Bildern wieder einen Text zu extrahieren, ist manchmal frustrierend. Am wenigsten schmerzt die Reduktion paradoxerweise bei sehr reduzierten Textformen. Da bleibt noch so viel zwischen den Zeilen!
Beim Wimmelbilderbuch hat es fast gar nicht weh getan – vor allem auch deswegen, weil ich wusste, dass ich die Idee gerne Michael Roher anbieten möchte. Und dass mein Text in Kombination mit seinen Bildern den Film in meinem Kopf an Kreativität und Ideenreichtum bei Weitem übertreffen werden. Zwei Welten zu einer verschmolzen, die Ideen des anderen respektierend und die eigenen ohne Scheu einbringend – das liebe ich an der Zusammenarbeit mit Michael Roher. Dann kommt Katrin Feiner, unsere Lektorin beim Tyrolia Verlag, und bringt sich wertschätzend und professionell ein. Nele Steinborn vollendet die Bücher mit dem grafischen Feinschliff und ihrem wunderbaren Auge für das, was ein Buch besonders macht. Hach – was für ein Fest!
Der Weg des Wasserschweins
Matthäus Bär und Anika Voigt über ihre Arbeit an „Drei Wasserschweine brennen durch“
Matthäus Bär: Wasserschweine sind äußerst gemütliche Tiere und auch die Entstehung dieses Textes war eine … gemächliche. Die allerersten Episoden dieses Buches stammen nämlich schon aus dem Jahr 2018. Fast acht Jahre lang begleiten mich also diese verflixten Capybara! Zwischen diesen ersten losen Geschichten und dem Buch gab es aber noch ein paar Kleinigkeiten: Pandemie, Verlagssuche, Papierknappheit usw. Umso froher macht es mich, Emmy, Tristan und Raul nun sicher zwischen zwei Buchdeckeln zu wissen.
Ihr Ausgangspunkt liegt sicherlich in gemeinsamen Tiergartenbesuchen mit meinen damals noch kleinen Kindern, aber auch in einer grundlegenden Faszination von Tiefenentspannung und entschleunigter Genügsamkeit: Eigenschaften, die Wasserschweine wie sonst niemand in sich vereinen!
Eine unkomplizierte, direkt auf den Punkt kommende Zusammenarbeit war es auch mit Anika, die das Wesen der Wasserschweine so unglaublich toll eingefangen hat. Trotz knapp 1.000 Kilometer Entfernung hat sich in den letzten Jahren ein so lustiger E-Mail-Austausch ergeben – mit teilweise irrwitzigem zoologischen Fachkauderwelsch –, den ich um keinen Preis missen und für den ich mich herzlich bedanken möchte!
Anika Voigt: Das gebe ich gerne zurück – auch für Matthäus´ stetes Korrektiv, was die zoologischen Feinheiten angeht. Hier lasse ich mich beim Zeichnen gerne von der Fantasie leiten. Da steht der Mond schon mal falschrum und die Wasserschweinfüße sehen aus wie Putzlappen. Beim Räumlichen dagegen nehme ich es genau. Das macht die Architektin in mir, dagegen kann ich nichts tun. Es ist ein steter Balanceakt, die Fülle an Möglichkeiten im Bild mit der Richtigkeit der Welt in Einklang zu bringen. Diese ist aber am Anfang zum Glück noch gar nicht im Boot: Nur ich und die Geschichte (und ein Kaffee und das Sofa). Die Bilder entstehen beim Lesen sofort. Bevor ich den ersten Strich getan habe, ist die Welt des Buches schon in meinem Kopf. Dann wird illustriert, gesponnen und ausgetauscht, im magischen Dreieck Wien-Köln-München. Das ist jedes Mal eine lustige Phase. Und dann muss man die Bilder in die Welt hinauslassen und bis auf Weiteres „Tschö!“ sagen.
Aber die gemütlichen Capybara scheinen gerne wiederzukommen: Nur durch einen Zufall kam ich anfangs mit dtv und Matthäus zusammen. Seitdem sind die Wasserschweine treue Begleiter. Ich besitze Tassen mit und Ohrwürmer über Capybara, kenne alle Capybara-Reels und kann sie mittlerweile in jeder erdenklichen Position und im Schlaf (in meinem!) zeichnen.
Matthäus´ Art über sie zu schreiben, scheint meiner Art, sie zu zeichnen, zu entsprechen. Seine Ideen haben die richtige Menge an Spaß, Waghalsigkeit und konstruktiver Komplexität und ich hoffe, dass wir die Wasserschweine irgendwann raus in die Stadt, auf die Kinoleinwand und bis zum Mond befördern werden!
eigene und uneigene jugenden
Michael Hammerschmid über seine Arbeit an „was keiner kapiert“
das wilde, offene und emotionale des lieds und songs stand am beginn des schreibens von „was keiner kapiert“. gleichzeitig lag darin auch eine art zurückkommen auf einen schreibbeginn in früheren jahren wie er vor allem für meinen ersten gedichtband „Nester” wesentlich war. damals wusste ich freilich noch nicht, dass ich gedichte für jugendliche schrieb bzw. schreiben würde. aber auch heute weiß ich es eher retrospektiv, denn der stoff bildet sich erst im schreiben heraus. die arbeit war also ein zurückkommen, bei dem die gedichte mit starken, liedhaften wiederholungen den ausgangsgestus bildeten, und ein nach vorne, in die zukunft schreiben, bei dem ich mehr und mehr das gefühl bekam, in verschiedene eigene und uneigene jugenden eintauchen zu können, sie sozusagen herausformen zu können aus dem strom von bewusst und unbewusst wahrgenommenem und erfahrenem. der schreibfluss entwickelte sich nicht zuletzt aus diesem grundgefühl, bei solchem ein- und hervortauchen ins zerreißende und zerrissene des lebens wie es sich besonders, aber nicht nur (!) im teenager-alter zeigt, zu gelangen. die gedichte nahmen in der folge ganz eigene wege, die sprechhaltungen, sprachregister, tonlagen blieben nicht beim refrainartigen, sondern vervielfältigten sich, kein gedicht sollte schließlich dem anderen gleichen. und welche freude, dass barbara hoffmann sie in eine grafisch rhythmisierte gestalt übersetzte, die den band auch optisch grooven lässt: mit unterschiedlichen einrückungen der gedichte und titel, nicht zuletzt mit ihrer handschrift, die die gedichte ins analoge transferiert und mit bildern, die weder das absurde, wie in manchen gedichten, noch die komik scheuen. schließlich hat sich der jungbrunnenverlag für – auch für jugendliche kostengünstige – broschur entschieden, um ihnen diese sammlung scheinbar schwieriger und scheinbar einfacher lebenspoetischer fragen in form von gedichten weiterzugeben.
Raum für Assoziationen und Bilder
Barbara Hoffmann über ihre Arbeit an „was keiner kapiert“
Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als Anna Stacher-Gfall vom Jungbrunnen Verlag mich gefragt hat , ob ich Interesse hätte, einen Gedichtband für Jugendliche von Michael Hammerschmid zu illustrieren. Das klang für mich sehr spannend und nach einer aufregenden Welt. Dass ich auch die grafische Gestaltung des Buches übernehmen durfte, war umso erfreulicher, weil das Spiel mit Typografie und Illustration so möglich wurde. Ich konnte so das Buch von Anfang an im Ganzen denken und gestalten.
Dann: Lesen, lesen, lesen. Assoziationen scribblen. Liegen lassen. Recherchieren. Wieder anschauen. Ein Gefühl für den Text bekommen, um es aufzunehmen und in der grafischen Gestaltung und den Illustrationen wiederzugeben. Erste Illustrationen, so lange, bis ein ruhiges, stimmiges Gefühl da war.
Die Offenheit der Gedichte gaben so viel Raum für Assoziationen und Bilder, dass es manchmal schwierig war, diese einzugrenzen. Die Wahl der Typografie war wichtig, die Mischung zwischen Handgeschriebenem und mit klassischer Serifenschrift Gesetztem schien gut. Die Entscheidung zu nur einer Farbe schien richtig. Es soll in eine Poesie-Welt passen, es soll gleichzeitig seriös und absurd werden, mal aufregende, mal ruhige Seiten haben. Die gesamte Optik soll ein Gefühl von Erwachsensein – aber doch nicht ganz – vermitteln.
Und am Schluss, mit der Entscheidung für ein Softcover abgerundet: Da ist es, das ruhige, stimmige Gefühl. Danke an Michael und den Jungbrunnen Verlag für dieses schöne Projekt!
Lebendigkeit und Nähe
Kathrin Steinberger über ihre Arbeit an „Der Rosengarten“
Ich beschäftige mich gerne mit historischen Themen, ich finde, die Geschichte lebt fort in unserer Gegenwart. Ich habe schon lange mit der Idee gespielt, etwas über den Ersten Weltkrieg zu schreiben. Man muss eben auf den zündenden Gedanken warten, und als die Figur von Rosa aufgetaucht ist, hat alles zusammengepasst. Ich denke meistens zuerst sehr intensiv über die Handlung nach, mache Notizen, entwickle einzelne Figuren, und richtig zu schreiben beginne ich erst, wenn alles schon lange geköchelt hat. Ich muss dann relativ wenig neu oder umschreiben, das kommt meiner Arbeitsweise sehr entgegen.
Bei diesem Roman habe ich nach einer ersten Skizze der Handlung sehr viel über das Leben der Wiener Bevölkerung im Ersten Weltkrieg und über die Erlebnisse der Soldaten an der Isonzo-Front recherchieren müssen. Zum Glück gibt es sehr viel Material, in Sachbüchern und auch online. Mir ist es wichtig, dass die Dinge bei historischen Themen so gut wie möglich stimmen, einerseits aus Verantwortungsgefühl für die Menschen, die diese Geschichte einst erlebt haben, andererseits aber auch, weil meiner Meinung nach durch die alltägliche Greifbarkeit vergangener Ereignisse erst Lebendigkeit und Nähe entsteht. Es war viel Aufwand, sich durch die Quellen über den Ersten Weltkrieg zu graben, aber es hat auch enorm viel Spaß gemacht. Der Roman spielt in meinem Heimatbezirk Ottakring und so konnte ich diesen nochmal aus einer neuen Perspektive kennenlernen.
Ich habe den „Rosengarten“ Renate Welsh gewidmet, denn als ich sie vor mehr als 20 Jahren kennenlernen durfte, hat sie mir nicht nur eine Tür in die österreichische Kinderliteratur-Szene geöffnet, ihre wunderschönen zeitgeschichtlichen Bücher waren für mich auch eine prägende Lektüre.